Kolkata – Stadt mit Gefälle

liebe Grüße aus dem nun wirklich letzten Aufenthaltsort in Indien.
Hier in Kolkata (auch in alter Form Kalkutta) durfte ich meine letzten Tage verbringen und genießen. Nach dem doch sehr ruhigen und friedlichen Darjeeling, dauerte es einen Augenblick um das Genießen im bunten Treiben der Millionenstadt wiederzufinden.

Kolkata zeichnet als ehemalige britische Kolonialhauptstadt, durch einen mir in Indien noch nicht so stark aufgefallen, britischen Baustiel aus. Das alte Zentrum ist gespickt von Kolonialbauden, prachtvollen weißen oder backsteinfarbenen Fassaden, Säulen, so wie schmiedeeiserne Verzierungen. Letztere finden sich auch an den Laternenmasten und Fahrbahnabgrenzungen der recht symmetrisch verlaufenden Straßenzüge wieder.

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Die gute geographische Lage mit dem Hinterland, welches jetzt zu Bangladesch gehört (ehemalig indisch), sowie der Hooghly Fluss scheinen zur Gründung dieser Stadt (durch die Briten) beigetragen haben. Die Parallelen sind kaum zu übersehen und geben der Stadt auch ihre Einzigartigkeit. Große Gärten und Parkanlagen, gepflegter als in den anderen von mir besuchten Städten, geben den Menschen Raum sich am Wochenende mit Kricket, Grill oder Picknickkorb zu beschäftigen.

Lange Promenaden am Fluss mit Lichtspielen, Bänken und Palmenalleen verschönern den abendlichen Blick über das Wasser und z.B. die Howrah Brücke aus britischen Zeiten. Alte Fährschiffe ergänzen das Bild und fahren in der Stadt auf und ab.
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Die vierspurigen Straßen verbinden effektiv die Stadtteile der alten Stadt miteinander und führen immer wieder an große christliche Kirchen oder Monumentalbauten des britisch India vorbei. Unterstützt wird die Infrastruktur dabei von der einen U-bahnlinie, welche zusätzlich die Menschenmassen der Stadt verteilt. Klingt doch soweit alles super.

Das besondere an Kolkata sind für mich jedoch die Gegensätze.
Abseits von allen britisch parallelen Stadtgestaltungsmaßnahmen des alten Stadtkerns, hat sich in den umliegenden Siedlungsgebieten ein ganz anderes Kolkata entwickelt. Hier ist es laut, staubig, schmutzig und riecht immer wieder nach Abgasen und Urin. Dazu ertönen Hupen der alten Taxilimousinen in den schmalen verworrenen Gassen (viele Einbahnstraße, welche zu verschieden Zeiten die Fahrtrichtung wechseln), das Bellen von Hunden und die Rufe unzähliger Verkäufern der Märkte. Eine ganz eigene nicht britische Musik.
In vielen Straßen des heutigen Zentrums wechseln sich alte, mehr oder weniger verfallene Villen mit einheimischen „Selbstbausatzhäusern“ und neu errichteten Hochhäusern/Bürohäusern ab.
An einer Ecke der Straße pressen Straßenverkäufer Zuckerrohrsaft aus und gegenüber bietet McDo… das passende Fastfoodmenü an. An der nächsten Ecke hämmern Handwerker in alten Schuppen Bleche zu Eimern und nicht weit davon entfernt, könnte ich mir mein Traumbad hinter großen Glasfasaden zusammenstellen lassen. Große Privatschulen haben Blick auf Straßenwasserpumpen, welche als Waschmachiene, Geschirspühler, Freiluftbadewanne seine Dienste erfüllen. Die Oberleitungen der alten kreativen Straßenbahnen (in Reparaturzustand und Farbgestaltung) halten außerhalb der Fahrtzeiten als Wäscheleinen Derjenigen hin, welche sich unter den Hochstraßen oder Mangroven ihre Bleibe eingerichtet haben. Es ist nicht unüblich, dass der Fußgängerweg auf einer Seite der Straße gemieden wird, weil sich hier obdachlose Familien ihr Heim oder zumindest Tagesrastplatz eingerichtet haben.
Während sich die Stadt als intellektuelle und moderne Hochburg darstellt (ist sie auf der einen Seite auch), habe ich zugleich unglaublich viel Armut auf den Straßen miterleben und beobachten können.

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Die Stadt ist ein Spagat zwischen Wohlbefinden und Unbehagen, zwischen Faszination und Bedauern, zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Historie und Moderne. Das Gesamtbild bleibt für mich unbeschreiblich und in seiner Gesamtheit in besonderer Erinnerung.
Man hat etwas die Wahl, seine Wege und die Aufmerksamkeit auf die viele Armut oder lieber auf angenehmere Dinge zu lenken und wird dennoch nicht unherkommen beides zu erfassen.
Vielleicht einer der Gründe warum unzählige Traveler und Einheimische sich ehrenamtlich bei Hilfsorganisationen, wie der von Mutter Theresa angarchieren.

Als Fremdling in der Stadt galt es für mich wie immer ersteinmal darum ein Zimmer in backpackerfreundlicher Lage/Preisklasse zu ergattern und ich musste feststellen, dass mein übliches Klinkenputzen nur auf verschlossene/volle Türen stieß. So ausgebucht habe ich Indien noch nicht erlebt und die einzige Alternative glänzte mit einem drei m³ Einzelzimmer in bröseliger Farbgestaltung, dauerhaft geöffneter Fenster, allerlei an Kleintiergesellschaft (Leguane, Ameisen, Spinnen…) und erfrischenden Eimerwasser (Dusche).
Dennoch, ich hab die kleine Bude gemocht und die Gestaltung des alten Lagerhauses/Hostels hat in mir Vorstellungen von Kuba (ich war nie da :-)) geweckt. Tagsüber schlenderte ich zumeist durch die Gassen und Basare und suchte nach den Besonderheiten der Stadt.

Einige wie das Victoria Memorial oder die  St. Paul´s Cathedrale stehen unverändert und beeindruckend im alten Stadtkern.
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Fährt man mit einer der Fähren etwas Flussaufwärts, erreicht man in den Arbeitervierteln das Treiben der LKW-Packer, Händler in „little Chinatown“ oder den Blumenmarkt.
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Nachts kann man sich dann im Universitätsbezirk, mit Studenten und anderen Reisenden bei einer Flasche „Wasser“ zusammensetzen oder einfach mal spontan bei einem Gitarrenfestival vorbei schauen.  Südlich vom alten Stadtkern finden sich ärmere Stadtteile sowie Tempelbereiche zur Kremation, Anbetung oder Opferung. Zu erwähnen ist herbei vielleicht der Kalitempel, in welchem mit Tieropferungen der Blutdurst der Göttin gestillt wird.

Ein besonderer „Geheimtip“ war hingegen das Museum der modernen Künste, welches Skulpturen und Gemälde lokaler Künstler ausstellt, sowie der Besuch im Marmorpalast. Um sich die riesige, wenn auch versteckte Villa und den gepflegten Park anschauen zu können, benötigte ich jedoch eine Sondergenehmigung des staatlichen Touristenbüros und ein paar Scheine für den Wächter. Die sagenhaften Mamorräume und Hallen, sowie die riesige Sammlung an Skulpturen und Gemälden sind den Extraweg aber auf jeden Fall wert.

Fazit: Kolkata, tolle Stadt mit viel Kontrast und und einen neugebauten Flughafen, der mich nach Myanmar bringen soll.

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