Auf dem Dach der Welt – Anapurna

„Gut vorbereitet und top Fit“, naja wir waren bemüht, in Joggingschuhen und ohne Schneeausrüstung…

So richtig war uns nicht klar, worauf wir uns da eingelassen haben aber ich hatte im Kopf, gern einen Höhentreck machen zu wollte und Katha teilte es glücklicherweise. In der Region um Pokhara, unserem Ausgangsort, steht da das Anapurna Basis Camp ganz oben auf der Liste. Einige Wanderer aus dem Tal trafen bestätigten unser Vorhaben. „Alles kein Problem und es sein in fünf Tagen machbar“ – auch wenn unser Tourenbuch 10 Tage vorsah aber was heißt das schon… 🙂
Schon auf den ersten Meter der Wanderung stellten wir fest, dass wir zwischen den vielen Treckern zu den wirklich wenigen zählen, welche ohne Gide oder Gepäckträger unterwegs waren und unsere spärliche Ausrüstung für zwei Personen in einen Wanderrucksack passt. Sollte das uns zu denken geben?

Das andere Extrem: Es war Wahnsinn zu beobachten, welche Massen und Gewichte die Träger für andere Wanderer auf den Berg tragen. Wer braucht seinen 100l Rollkoffer nicht bei einem Treck? :-/

Als unendliche Hilfe sollten sich im Verlauf des Trips die Wanderstöcke herausstellen, welche wir schnell am Vorabend noch kauften. Auch der Spontankauf einer einfachen Daunenjacke für mich (sicher 0% Dauen aber sehr ähnlich dem Markenprodukt) sollte eine nützliche Investition sein.

Die Anreise zum Nationalpark der Anarpurnaregion erfolgte mit einem der herrlich bunten Regionalbusse und verlief einige Zeit über viele Höhenmeter und noch viel mehr Kurven auf der Holperstraße nach Nayapul, unser Start für den Treck.

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Nach dem „Checkin“ (Treckinglizens) konnte es dann schon richtig los gehen. Wie kann man das Trecken nun beschreiben. In Kürze, das Wesentliche ist Laufen. 🙂

Die Eindrücke, welche man dabei jedoch sammelt, die Erfahrung eigener Grenzen und die Vielseitigkeit des Weges sind für uns einmalig und schwer zu vergessen.

Der erste Tag führte uns an einer kleinen Straße entlang und wir waren erstaunt, wie warm es doch auf 1070 Höhenmeter war. Im Tshirt passierten wir so Gebirgsbäche, kleine Dörfer und bahnten uns den Weg zwischen den Felderterrassen langsam den Berg hinauf. Ganz nebenbei beobachteten wir, wie Bauern auf den Reisfeldern arbeiteten, Frauen kochten oder Wäsche wuschen und Kinder lachten. Dies alles wirkte auf uns so ruhig und friedlich, als gäbe es in deren Welt nur die gemalten Dörfer und den Alltag bei der Selbstversorgung (Obst, Reis, Mais, Viehzucht) vor dem Hintergrund grüner Berglandschaften und schneebedeckter Gipfel.

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Diese Schönheit wurde nur durch gelegentliche Autos gestört, welche sich die letzten Straßenkilometer hochquälten oder Touristen wie uns, die beharrlich versuchen das „eine“ Foto zu machen oder staunend klotzen. Ab der zweiten Hälfte der Tagestour und am Ende der Straße übernahmen dann Esel den Warentransport weiter in den Norden. Wir folgten Ihnen auf den schmalen Wegen an den Berghängen und überwunden unzählige steile Treppen bis zu unserem ersten Ziel Ghandruck auf 1940 Höhenmetern.

Recht erschöpft und fertig erreichten wir den kleinen Ort am späten Nachmittag und nahmen uns eine Lodge. Die Übernachtungen waren zum Glück an allen Wegpunkten unserer Route gesichert und es standen einfache Schlafmöglichkeiten in meist freundlichen Gasthäuser mit Restaurant zur Verfügung. Also kein Zelt, Isomatte oder „Powerriegel“ den wir extra tragen mussten. Glücklicherweise hatten die unbeheizten Zimmer dicke Decken, welche unsere Sommerschlafsäcke ergänzten, denn sobald die Sonne verschwand, wurden wir von Temperaturen um oder unter den Gefrierpunkt überrascht. Nicht nur einmal saßen wir zitternd vor unserem Essen (danke heißer Tee und billigem Whisky ertragbar) oder im Bett. Schlafenszeit: so früh wie möglich und mit all unserer Kleidung samt Jacke und Mütze.
Der erste Abend ließ uns jedoch noch etwas Zeit und so schlenderten wird durch das Dorf und wurden hinter dem Bergkamm erstmalig von einem überwältigten Sonnenuntergang hinter der riesigen schneebedeckten Berglandschaft des Anapurnamassivs überrascht. Ein gigantischer Anblick und noch nicht vorstellbar, dass dazwischen unser Ziel liegen sollte.

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Tag Zwei nach Chomrong (2170 Hm) stellte eine erste große Herausforderung an uns. Das Endziel liegt nicht viel weiter oben aber der Weg, wenn man diesen als solchen beschreiben kann, führte entweder über 400 Hm steil eine Schmelzwasserrinne hinab ins Tal oder nach einen Fluss die nächste Rinne hinauf. Ergänzt wurde diese Strecke durch  einige hundert Höhenmeter Treppen, Treppen und Treppen. Herrlich so ein Treck!

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Interessant war auf diesen Weg zu erleben, wie die vielen kleinen Dörfer sich lichteten, die Felder zunehmend verschwanden und die Berghänge immer mehr der Natur überlassen und durch Laubwälder besetzt wurden.
Kleine Besonderheit: Das wahrscheinlich schönste Zimmer des Trecks, aus welchen wir durch die tiefen zwei Glasfronten des Eckzimmers direkten Blick auf die Berge und den Ort hatten. Durch die wenigen Gäste, mit uns vier, konnten wir die Nachbarzimmer plündern und unter unzähligen Decken Sonnenauf und -untergang beobachten.

Der darauffolgende Tag glich dann hingegen einem kleinen umgekehrten Klimawandel ohne das Übermaß an Treppen. Es war für mich das erste Mal, dass ich in so kurzer Zeit einen so starken Wandel an Vegetation so direkt beobachten konnte. Wir starteten zwischen Laubwäldern, welche einige Zeit später die meisten Blätter fallen ließen und uns einen milden Herbstspaziergang vorgaukelten. Darauf verließ uns die Vielfalt der Baumarten und die verbliebenden Bäume mutierten zu moosbedeckten Uhrwäldern mit hoher Affenpopulation. Stückweise lichteten sich die Flächen und es folgten flache Bodengewächse und unzählige Schachtelgewächse wie Farne und Bambus (ich hoffe das ist fachlich halbwegs korrekt). Am Ende des Tages im Himalajacamp (nur der Name nicht aber der Berg) verblieb nur noch wenig Vegetation, dafür aber erste Eisansätze. Hier oben lichtete sich jedoch auch die Anzahl der Lodges und die wenigen Trecker rückten dichter zusammen. Zum Glück waren wir etwas eher da, denn nicht für alle waren warme Decken verfügbar und die Nacht hielt gute Minusgrade bereit.

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Der Abend wurde dafür sehr lustig und im Gastraum begegneten wir bei etwas Alkohol, Karten und warmen Essen einigen netten Leuten, welche wir von daan und bis zum Ende des Trips immer mal wieder treffen sollten. Ständige Begleiter blieben zwei bzw. drei der deckenlos frierenden Jungs.

Zu Viert stiefelten wird am kommenden Tag in Richtung Anapurna Base Camp (ABC). Vorbei am Machapuchare Base Camp (MBC, rund 4000 Hm) und ich verstand langsam, warum meine guten Laufschuhe nicht die erste Wahl sein sollten. Gegen die Eisflächen aus gefrorenen Schmelzwasser wäre ich mit anderem Schuhwerk nicht viel besser gerüstet aber Tiefschnee und Feuchtigkeit sind nicht ihre Stärke (Nasse Füße: keine gute Idee).
Nach der Baumgrenze wurde der Boden recht schnell von Schneemassen bedeckt, zwischen denen nur noch einzelne Felsspitzen heraus ragten. Ein tolles und ehrfürchtiges Bild, umrundet von hohen Gipfeln und gleichzeitig nicht ungefährlich, denn neben den schmalen Pfaden der Vorläufer und dem Eis ging es steil bergab oder plötzlich hüfttief in den Tiefschnee. Auch vor abrutschenden Schneemassen wurden wir gewarnt und sprangen mehrfach über Löscher in der Schneedecke unter denen ein Strom von Schmelzwasser zum Vorschein kam. Der vorgeschrieben Weg war durch den starken Schneefall einige Tage zuvor nicht mehr erkennbar und so folgten wir den Spuren im Schnee hinauf zum ABC. Spätestens am letzten Tag des Aufstiegs mussten wir uns einen gewissen Leichtsinn zugestehen.

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Dennoch, der Weg ist nicht einsam und wir trafen immer wieder andere Träger oder Trecker, hatten erste Hilfe dabei und waren zu Viert, was im Notfall hätten helfen können. Am Abend saßen wir dann am Ziel (4200 Hm), euphorisch und begeistert, erleichtert und erschöpft, mit dem Blick auf das 360° Panorama der Berggipfel. Es hat sich gelohnt! Schwer zu beschreiben! So ein beeindruckendes Bild und wir versuchen die Stimmung einzufangen…

Das was wir in vier Tagen bergauf geschafft haben, sollte nun in zwei Tagen runter gehen und in einer Grenzerfahrung enden. Wer sich jetzt vorstellt, dass der Weg schön stetig abwärts ging irrt. Ein stetiges Auf und Ab, noch mehr Rutschgefahr, die selben Steine, Treppen und der doppelte Tagesweg. Nicht sturzfrei im Schnee und erheblich langsamer im ersten Teil, glich der zweite eisfreie Teil dann eher einer Marathonstrecke. Ich hab es stückweise genossen im hohen Tempo zu marschieren und teils fast rennend von Stein zu Stein zu springen. Die Rechnung war brennende Oberschenkel und Muskelkater für die nächsten Tage…

Wir sind froh, gesund und munter, ohne Verletzungen und Höhenkrankheit, so viel Tolles erlebt zu haben.

Veröffentlicht in Nepal

3 Kommentare zu “Auf dem Dach der Welt – Anapurna

  1. Lieber Albrecht!
    Wir finden deine neuen Entdeckungen der Welt sehr spannend. Bitte mehr davon ;-).
    Wir grüßen Dich ganz lieb aus Dresden.
    Drück 😉

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